Erleichterte Räumung von Dritten nach der Mietrechtsrefom
(§ 940a Abs. 2 ZPO)
I. Hintergrund der Reform
Am Ende einer erfolgreichen Räumungsklage steht der Räumungstitel. Der Titel gibt dem Vermieter jedoch nur die Möglichkeit sein Recht gegen im Titel bezeichnete Personen durchzusetzen. Die Durchsetzung geschieht durch den Gerichtsvollzieher, wenn der Mieter nicht freiwillig die Wohnung herausgibt.
Problematisch wird die Situation, falls eine andere Person als der Mieter, wie bspw. der Ehegatte, Lebenspartner, Untermieter oder ein gar gänzlich unbekannter Dritter die Wohnung öffnet und dem Gerichtsvollzieher mitteilt, er wohne auch in der zu räumenden Wohnung. Der Gerichtsvollzieher kann grundsätzlich nämlich nur gegen im Urteil benannte Besitzer vollstrecken, sprich räumen.
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 18. Juli 2003 – IXa ZB 116/03) führt in einem solchen Fall explizit aus, dass
„gegen einen Untermieter die Räumungsvollstreckung nicht aufgrund des gegen den Hauptmieter ergangenen Titels betrieben werden kann. Denn gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann die Zwangsvollstreckung nur gegen eine Person begonnen werden, die im Titel und in der Vollstreckungsklausel als Schuldner bezeichnet ist. Gewährleistet wird damit, daß staatlicher Zwang nur zur Durchsetzung eines urkundlich bereits ausgewiesenen Anspruchs erfolgt, und zwar für und gegen die im Titel genannten Personen“.
Da sich der Anspruch des Vermieters auf “Rückgabe der Mietsache” nach Beendigung des Mietverhältnisses (bspw. durch außerordentliche fristlose Kündigung) richtet, ist ihm folglich der Besitz an der Mietsache zu verschaffen. Da nun aber nicht nur der im Urteil genannte Mieter Besitz ausübt, sondern eine oder mehrere dritte Personen, ist auch die Herausgabe durch sie erforderlich. Es müsste somit auch gegen diese Besitzer oder Mitbesitzer ein Räumungstitel erwirkt werden, wenn kein freiwilliger Auszug erfolgt. Dies kostet selbstverständlich kostbare Zeit.
Sind die Mitbewohner bekannt, so kann der Vermieter diese im Räumungsrechtstreit mitverklagen und so einen Räumungstitel erstreiten. Bis zum Räumungsversuch unbekannte Personen können logischerweise nicht mitverklagt werden. Es ist ja eben nicht bekannt, dass sie überhaupt Besitz an der Wohnung haben. Diese Situation wird nun nicht unbedingt selten herbeigeführt, wenn der Mieter – aus welchen Gründen auch immer – die Rückgabe der Wohnung möglichst weit herauszögern will.
Mit der Novellierung des Mietrechts wird ein derartiges Verhalten zukünftig erschwert. Sollte der Versuch unternommen werden Räumungen dadurch zu verhindern, dass (zunächst unbekannte) Dritte in der Wohnung aufgenommen werden, besteht nunmehr für Vermieter die Möglichkeit durch eine einstweilige Verfügung kurzfristig einen ergänzenden Räumungstitel zu erlangen.
In § 940a ZPO wird dementsprechend der neu formulierte Absatz 2 eingefügt, der den folgenden Wortlaut hat:
„Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung auch gegen einen Dritten angeordnet werden, der im Besitz der Mietsache ist, wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt"
II. Voraussetzungen der Räumungsverfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO
1.Räumungstitel
Die Räumungsverfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO setzt zunächst das Vorliegen eines Räumungstitels gegen den Mieter voraus.
Hierzu zählt neben einem Urteil auch die in einem Räumungsrechtsstreit gegen den eine Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO missachtenden Mieter erlassene einstweilige Räumungsverfügung nach § 940a Abs. 3 ZPO.
2. Besitz bzw. Berühmung des Besitzes
3. Fehlende Kenntnis des Vermieters
Praxistipp:
Erforderlich ist positive Kenntnis, fahrlässige oder grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht (Streyl, aaO.).
Praxistipp:
Bei Vorbereitung der Räumungsklage empfiehlt es sich, den Mieter unter Fristsetzung zur Mitteilung aufzufordern, ob und an wen er ggf. die Räume überlassen hat. Der Mieter ist insoweit auskunftspflichtig (LG Kiel vom 08.03.2010 – 18 O 233/09, ZMR 2010, 532). Streyl (Streyl, NZM 2012, 254) weist zutreffend darauf hin, dass die Anknüpfung an den Schluss der mündlichen Verhandlung insoweit problematisch sein kann, wenn der Vermieter erst kurz zuvor Kenntnis von der Person des Dritten und der Besitzbegründung erlangt. Will er den Dritten dann mitverklagen, würde dies wegen der Zustellungs- und Einlassungsfristen zu einer nicht unerheblichen Verzögerung des Räumungsprozesses gegen den Mieter führen. Darüber hinaus ist eine Parteierweiterung nur unter bestimmten Voraussetzungen und in der Berufungsinstanz überhaupt nur mit Zustimmung des neuen Beklagten zulässig (OLG München vom 03.02.2006 – 19 U 4386/05, MDR 2006, 1186).
4. Darlegung und Glaubhaftmachung
5. Anhörung des Dritten
Gemäß § 940a Abs. 4 ZPO hat das Gericht vor Erlass der Räumungsverfügung den Dritten anzuhören. Die Anhörung ist Zulässigkeitsvoraussetzung für den Erlass. Dem Gericht steht es frei, ob es die Anhörung schriftlich oder im Rahmen einer nach §§ 937, 921 Abs. 1 ZPO freigestellten mündlichen Verhandlung durchführt.
6. Einwendungen des Dritten
Der auf Räumung in Anspruch genommene Dritte kann alle Voraussetzungen
des Verfügungsanspruchs und des Verfügungsgrunds bestreiten. Besondere praktische Relevanz dürfte hierbei der Einwand haben, das Mietverhältnis zwischen dem Vermieter und dem Mieter, von
dem der Dritte sein Recht zum Besitz ableitet, sei noch nicht beendet. Erhebt der Dritte aber keine beachtlichen Einwendungen, wird der vorhandene Räumungstitel zur Glaubhaftmachung
ausreichen. (Streyl, NZM 2012, 254).
III. Entscheidung des Gerichts
Die Entscheidung des Gerichts liegen die Voraussetzungen des § 940a Abs. 2 ZPO vor, so muss das Gericht die Räumungsverfügung gegen den Dritten erlassen. Trotz des unglücklichen Wortlautes („so darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung auch angeordnet werden“) besteht kein Ermessen. Die Verwendung von „dürfen“ stellt nur klar, dass nunmehr auch über die engen Voraussetzungen des früheren Rechts hinaus die Räumung durch einstweilige Verfügung zulässig ist.